Puzzeln und Spielen im Alter: Intelligenzforscher Dr. Siegfried Lehrl im Interview
Die meisten Menschen bringen Puzzeln und Spielen mit der Entwicklung von Kindern in Verbindung. Es soll neben der Konzentration auch die Feinmotorik und die Wahrnehmungsfähigkeit fördern. Doch auch Erwachsene legen gerne einmal ein Puzzle oder freuen sich über eine Partie Mensch ärgere Dich nicht® und Co. Wir stellten uns die Frage, ob auch für Erwachsene positive Effekte beim Legen von Puzzles entstehen und haben dazu einen Experten befragt: Diplom Psychologe Dr. Siegfried Lehrl, Präsident der Gesellschaft für Gehirntraining e.V. und Lehrbeauftragter der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Intelligenz-, Gedächtnis-, Demenz- und Lebensqualitätsforschung. Im Interview erklärt er uns, welche Vorteile für Erwachsene beim Puzzeln und Spielen entstehen.
Man sagt durch Gehirnjogging werden die grauen Zellen in Schwung gebracht. Uns interessiert, inwieweit unsere Puzzles und Spiele (Fotopuzzles, Memo-Spiel, Mensch ärgere Dich nicht®) dabei helfen können?
Wenn die Bilder einen Bezug zum persönlichen Leben haben, reizen sie dazu, sich näher mit ihnen zu beschäftigen. Und sobald man sich ihnen dann zuwendet und anfängt, beginnt die geistige Aktivierung. Ist die Aufgabe nicht zu schwer, geht es wie von selbst immer weiter, bis die Aufgabe bewältigt ist. Während dieser Zeit kommen die grauen Zellen in Schwung und bleiben in diesem Zustand.
Hilft gezieltes Gehirnjogging dabei Demenz zu verhindern/ zu verlangsamen? Wenn ja, wie oft und wie lange muss man sich damit beschäftigen und ab welchem Alter sollte man damit beginnen?
Gehirnjogging, verstanden als geistiges Üben, senkt das Risiko, eine Altersdemenz zu bekommen. Die Wirkung ist umso stärker, je früher im Leben die Übungen durchgeführt werden. Bei vielen Personen mit Verdacht auf eine Altersdemenz oder sogar mit einer diagnostizierten beginnenden Demenz verschwinden die Symptome. Allerdings lässt sich die Demenzerkrankung dann kaum dauerhaft aufhalten. Bis sie unübersehbar ausbricht, hat man jedoch einige Zeit an hoher Lebensqualität hinzugewonnen.
Es ist noch nicht klar, wie oft man sich geistig im Bereich der persönlichen Leistungsfähigkeit beschäftigen muss. Mit Sicherheit wenigstens einmal am Tag, auch am Wochenende und im Urlaub. Die Dauer sollte wenigstens 20 Minuten am Stück betragen. Je früher im Leben man sich geistig fit macht, desto besser. Denn geistig Fitte in der Kindheit und Jugendzeit bekommen später viel seltener eine Altersdemenz als geistig wenig leistungsfähige Gleichaltrige.
Häufig müssen bei Intelligenztests Puzzles gelegt werden. Kann man daraus den Schluss ziehen, dass Puzzeln schlau macht?
Beim Puzzeln werden Fähigkeiten gefordert, die zur Intelligenz gehören. Sie betreffen vor allem das anschaulich-figurale Denken sowie, sich im Kopf etwas Anschauliches vorzustellen. Deshalb übt das Puzzeln auch einen Teil der Intelligenz und sorgt mit dafür, dass die Schlauheit nicht nachlässt wie im Faulenzerurlaub, bei vielen Krankenhausaufenthalten oder in Alten- und Pflegeheimen. Es kann sogar dazu beitragen, dass die geistige Leistungsfähigkeit steigt.
Gemeinsames Spielen/ Puzzeln macht Spaß! Ob mit den Enkelkindern oder der ganzen Familie. Doch ist gemeinsames Spielen/ Puzzeln effektiver oder sollte man es doch alleine machen?
Das lässt sich nicht allgemein sagen, weil es von Lebensgewohnheiten und Umständen abhängt. Gruppen können davon ablenken, hin und wieder im Spiel konzentriert persönlich Hochleistungen zu bringen. Andererseits können sie auch sehr motivieren. Zur Pflege des sozialen Zusammenseins ist jedenfalls das gemeinsame Spielen/ Puzzeln hochbedeutsam. Und noch ein wichtiger Gesichtspunkt: In der Gemeinschaft wird zu dem sonst mehr anschaulich-figuralen Geschehen oft ein dieses begleitendes Sprechen angeregt. Dies trägt zusätzlich zur Intelligenzförderung bei.
Welche weiteren positiven Effekte hat das Spielen/ Puzzeln für Erwachsene?
Es erleichtert es zu erkennen, ob man in etwa auf dem gleichen geistigen Niveau wie die Mitspieler liegt. Auf einem einander ähnlichen Niveau sind Freundschaften oder gar Lebenspartnerschaften interessanter und stabiler als bei starker Ungleichheit.
Nur noch wenige Teile – Endlich ist das Puzzle fertig! Erleichterung und gute Laune machen sich nach Vollendung eines schwierigen Puzzles erst einmal breit. Macht Puzzeln etwa glücklich(er)?
Kurzfristig jedenfalls. Aber auch schon vor der Vollendung. Bereits während des Spieles, wenn es nicht zu leicht und nicht zu schwer ist, treten bei vielen Personen Zeiten auf, in denen sie sich sowie alles um sich herum und auch die Zeit vergessen und ganz bei der Sache sind und einfach nur weitermachen wollen. Dieser so genannte „Flowzustand“ wird ebenfalls als Stadium des Glücks erlebt.
Können Nervenzellen bei regelmäßigem Training auch bei Erwachsenen noch nachwachsen?
Im Hippokampus, dem Gebiet für die Einspeicherung von Information, die zuvor bewusst war, ja. Aber die Anzahl des Wachstums neuer Nervenzellen ist so gering, dass sie keine große Rolle spielt. Wichtiger sind die in der Anzahl beträchtlichen Neubildungen von Nervenfasern, die Verbindungen zu den anderen Nervenzellen herstellen, und die Zunahme von Botenstoffen, speziell Dopamin, das für die Motivation, Abspeicherung und Bereitschaft zuständig ist, sich weiterhin geistig zu betätigen.
Vielen Dank Herr Dr. Siegfried Lehrl für den interessanten Einblick in den aktuellen Forschungsstand.
Was bleibt nun zum Abschluss noch zu sagen? Puzzeln und Spielen ist etwas für Groß und Klein. Kindern hilft es bei der Entwicklung, Erwachsene können das Risiko einer Demenzerkrankung erheblich senken, aber auch bei bereits an Demenz Erkrankten werden Puzzles zu Therapiezwecken eingesetzt. Wie schön, dass Puzzeln und Spielen dann auch noch so Spaß macht :-) Mehr zum Zusammenhang zwischen geistiger Fitness und Glücklich sein findet ihr auf der Website von Dr. Siegrfried Lehrl.
Die wichtigsten Punkte zusammengefasst:
- Die geistige Aktivierung beginnt, sobald man sich Bildern zuwendet und anfängt zu puzzeln.
- Geistiges Üben senkt das Risiko, eine Altersdemenz zu bekommen.
- Häufig verschwinden bei Verdacht auf Altersdemenz oder beginnender Demenz die Symptome durch Gehirnjogging.
- Am besten täglich für 20 Min. geistig beschäftigen (je früher man sich fit macht, desto besser).
- Gemeinsames puzzeln motiviert nicht nur, durch begleitendes Sprechen wird auch die Intelligenz weiter gefördert.